Innovation in der Binnenschifffahrt
Die „Karosserie“ eines Binnenschiffs hält bei guter Pflege ohne weiteres mehr als 60 Jahre. Das ist wahre Nachhaltigkeit – im gleichen Zeitraum werden nämlich sechs Lkw-Generationen gebaut und verschrottet. Da die Schiffshülle zum Verschrotten zu schade ist, werden im Lebenszyklus immer wieder alte gegen moderne Komponenten ausgetauscht: Vom Antrieb über die Besatzungsquartiere bis hin zu allem, was mit der Steuerung zu tun hat.
Moderne Antriebe
Die Binnenschifffahrt bekennt sich zu den Klimazielen des Pariser Abkommens. Daher werden die Schiffsschrauben heute zunehmend nicht mehr direkt von Dieselmotoren angetrieben, sondern von Elektromotoren. Der dafür benötigte Strom wird heute meistens noch von Dieselmotoren erzeugt; sobald aber alternative Stromerzeuger wie zum Beispiel Brennstoffzellen preislichen Gleichstand und ausreichende Zuverlässigkeit erreicht haben, können die Diesel-Generatoren ohne großen Aufwand ersetzt werden. Erste Pilotversuche mit Wasserstoff-Brennstoffzellen laufen bereits.
Fernsteuerung
Die geringen Geschwindigkeit der Fahrzeuge auf den Wasserstraßen ermöglicht es schon heute, Binnenschiffe fernzusteuern. Anders als bei Eisenbahn oder Lkw werden keine Reaktionszeiten im Millisekundenbereich benötigt, um Gefahrensituationen zu beherrschen. Erste Pilotversuche in Belgien, den Niederlanden und neuerdings auch in Deutschland laufen bereits. Damit können auch Schiffsführerinnen und Schiffsführer, die zum Beispiel aus familiären Gründen nicht an Bord arbeiten können, im Beruf bleiben. Die Reeder wiederum können ihr Schiff im 24-Stunden-Betrieb fahren lassen, ohne alle Schichten mit voller Besatzung besetzen zu müssen.
Autonomes Fahren
Die größeren Toleranzen bei den benötigten Reaktionszeiten und übersichtliche Verkehrsverhältnisse auf den Wasserstraßen begünstigen auch das autonome Fahren. Erste Modellversuche laufen bereits. Dabei geht es vor allem darum, in der Güterschifffahrt auch wieder die Nutzung kleinerer Schiffsgrößen für einige Dutzend bis wenige hundert Tonnen Ladung zu ermöglichen. Schiffe dieser Größe mit der vorgeschriebenen Bordbesatzung könnten heute wegen der Personalkosten nicht gegen den Lkw bestehen. Wenn sich solche kleinen Schiffseinheiten elektronisch zu größeren Verbänden zusammenkoppeln, können sie sogar so energieeffizient wie ein großes Schiff fahren. Weiterführende Informationen zum Thema autonomes Fahren gibt es hier:
Versuchs- und Leitungszentrum autonome Binnenschiffe (VeLABi) beim Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V. (DST) Duisburg.
Digitale Vernetzung
Innovativ und digital: Mit Port Community Systems, kurz PCS, besteht die Möglichkeit, dass sich die am System Wasserstraße Beteiligten miteinander vernetzen. Bereits installierte PCS wie beispielsweise das an einigen Häfen entlang des Rheins eingesetzte „River Ports Planning and Information System“, kurz RPIS, ermöglichen es, alle relevanten Informationen über Schiffe, Fracht, Häfen und Logistikdienstleister in Echtzeit zu erfassen, zu verarbeiten und zu teilen. Zugeschnitten auf die spezifischen Nutzergruppen und Prozesse der Binnenschifffahrt, erlaubt es den Häfen und dem dazugehörigen Hafengewerbe, die digitale Transformation zu gestalten. Dadurch entsteht eine transparente und effiziente Kommunikation entlang der gesamten Logistikkette. Ziel ist es zum Beispiel, mit Hilfe von standardisierten Plausibilitätsprüfungen die Datenqualität zu verbessern und eine automatisierte Abwicklung nachfolgender Prozesse zu ermöglichen. Den Unternehmen geht bei dieser Form der digitalen Vernetzung vor allem darum, mit Hilfe der innovativen Technik das abzuschalten, was sie am meisten nervt: die überbordende Bürokratie, der hohe Verwaltungsaufwand, die herrschende Intransparenz von zum Teil noch manuellen Prozessen, die mangelnde Kommunikation untereinander.
Kompakt
- RBinnenschiffe zunehmend elektrisch: Der Elektromotor an der Schiffsschraube erhält heute noch seinen Strom von Diesel-Generatoren, künftig aber zum Beispiel von Wasserstoff-Brennstoffzellen.
- RFernsteuerung ermöglicht es, die Besatzung an Bord zu reduzieren, und sie schafft stationäre Arbeitsplätze für Schiffsführer an Land.
- RAutonome kleine Frachtschiffe sollen Güterpotenziale zurückgewinnen, die an Lkw und Güterbahn verlorengegangen sind.
- RDie digitale Vernetzung schreitet voran, wie z.B. durch Port Community Systems, kurz PCS.
Schon gewusst?
- RDas erste Binnenschiff mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb ist das 2022 fertiggestellte Schubboot „Elektra“. Nach Abschluss von verschiedenen Versuchsprogrammen soll es im Linienbetrieb mit einem Leichter zwischen Berlin und Hamburg eingesetzt werden.